«Vor der Digitalisierung kommt die IT-Beschaffung»
Die Rolle der IT-Beschaffung bei Innovation und Digitalisierung
Unternehmen wie auch Verwaltungen wollen die Digitalisierung beschleunigen – und kämpfen mit den selben Hürden: fehlende Personalressourcen, sich rasch verändernde Technologien und unübersichtliche Märkte. Eine gut aufgestellte IT-Beschaffung bedeutet mehr, als Hardware und Software einzukaufen – sie ist ein Navigator und Enabler auf dem Weg zur Innovation.
Wir schreiben das Jahr 2024 und der technische Fortschritt verläuft exponentiell. Noch nie in der Geschichte der Menschheit wurde Wissen breiter und effizienter ausgetauscht und noch nie haben sich weltweit so viele Unternehmen, Ingenieure, Forschende und Softwareentwicklerinnen mit neuen Technologien beschäftigt. Das Internet als Grundlage dieser Bewegung erhält derzeit mit dem Hype um die künstliche Intelligenz (KI) einen weiteren Katalysator. Was der breiten Öffentlichkeit durch Innovation wie «Chat GPT» schlagartig ins Bewusstsein dringt, ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Wer sich mit spezifischen Technologien wie Data Science oder KI auseinandersetzt und vertiefte Recherchen unternimmt – durch die Open Source Bewegung ist dies relativ einfach geworden – erhält Einblick, was weltweit zehntausende von Softwareentwicklern, Ingenieurinnen und Unternehmern jeden Tag leisten.
«Applikationsstau» (Application-Backlog) als Innovations-Bremse
Worüber wir uns im Grunde viel zu wenig wundern, ist die grosse Kluft zwischen dem technisch Machbaren und der erfolgreichen Anwendung in den Unternehmen und Verwaltungen. Seit der ersten Vision des «papierlosen Büros» in den 1980er-Jahren sind Jahrzehnte vergangen, bis sich die Arbeitsprozesse in den Unternehmen und Amtsstuben wirklich signifikant angepasst haben.
Ebenfalls bereits aus den 80er Jahren stammt der Begriff des «Applikationsstaus» – aus der Erkenntnis, dass die betriebliche IT häufig nicht in der Lage war, die von den Fachabteilungen ersehnten Anwendungen im gewünschten Zeitrahmen zur Verfügung zu stellen. Im letzten Jahrzehnt haben sich die Möglichkeiten und die Umsetzungskraft der IT-Organisationen durch Outsourcing und Cloud-Lösungen vervielfacht. Der «Applikationsstau» ist aber nicht verschwunden – sich rasch verändernde Umgebungsparameter und Prozesse verlangen permanent nach neuen Anwendungen und Lösungen. Fachabteilungen, die über Monate wenn nicht Jahre auf Lösungen wie «E-Recruiting», «E-Learning und Personalentwicklung» oder Workflowsysteme und neuen Mitarbeiter- oder Kundenportale warten mussten, sind keine Seltenheit.
Hürden auf dem Weg zur Digitalisierung
Nach der Privatwirtschaft haben auch zahlreiche Institutionen der öffentlichen Verwaltung Programme zur «Digitalisierung» oder «digitalen Transformation» angestossen – bereits im 2023 konnte man dazu Einiges in den Medien lesen. Dabei gilt es Herausforderungen und Hürden zu überwinden, wie:
- Unübersichtlichkeit und Kurzlebigkeit technischer Innovationen
- Politische oder innerbetriebliche Widerstände, fehlende Innovationskultur
- Fehlende oder einengende rechtliche Vorgaben (Datenschutz, Beschaffungsrecht)
- Ressourcenmangel bei der Planung und Umsetzung
«Eine gut aufgestellte IT-Beschaffung bedeutet viel mehr als die administrative Abwicklung von Vorgaben (Submissionsrichtlinien) und das Verhandeln kommerzieller Konditionen – sie ist ein Navigator und Enabler auf dem Weg zur Innovation»
Die Rolle der IT-Beschaffung
Wer sich in IT-Projekten der öffentlichen Verwaltung bewegt oder auch nur schon die zugehörigen Pressemeldungen und Simap-Publikationen liest, erkennt rasch, dass die Beschaffung der notwendigen Personalressourcen die grösste Hürde bei der Digitalisierung ist. Bevor neue Systeme und Lösungen beschafft bzw. entwickelt werden, muss Grundlagenarbeit bei der IT-Strategie und IT-Architektur geleistet werden. Es folgt aufwendige Konzeptarbeit (Geschäftsprozesse, Projektplanung, Migrationskonzepte, Sicherheitskonzepte, usw.). Hier kann eine gut geplante IT-Beschaffung Unterstützung bieten, indem vorbereitend externe Personalressourcen zur Unterstützung beschafft werden. Profile wie Projektleitung, Business-Analyse, IT-Architekt/in und Softwareentwickler/in werden häufig für mehrere Jahre über Rahmenvertrags-Ausschreibungen beschafft. So kann die Verwaltung mehrere Projekte oder ganze Programme längerfristig planen und entwickeln.
Die Ausschreibung von spezifischen Applikationen (Standardsoftware) verlangt gute Marktkenntnisse und ist oft auch mit einer vorbereitenden Marktrecherche verbunden. In vielen Fällen haben selbst die involvierten Fachbereiche nicht den vollständigen Überblick. Neutrale externe IT-Beschaffer können hier den Bezug zu anderen Branchen, Firmen oder Verwaltungen schaffen und beispielsweise Referenzbesuche organisieren. Die Evaluation von neuen Technologien wie Cloud-Plattformen, bzw. deren Anbietern erfordert vertiefte Überlegungen beim Ausschreibungsdesign, da sowohl der Leistungsbezug als auch die Produkt- und Preisgestaltung über die Zeit dynamisch sind.
Übersicht: Leistungen der IT-Beschaffung zur «digitalen Transformation»
|
Unterstützung
Das Experten-Team von informatik-beschaffung.ch organisiert bedarfsorientiert Online-Workshops, Know-How Austausch, Fragerunden und Kurz-Briefings zu Beschaffungsthemen – manche der Online-Veranstaltungen sind kostenlos. Bei Interesse senden Sie ein kurzes Mail an info@informatik-beschaffung.ch und schreiben uns, welche Beschaffungsthemen oder Fragen Sie aktuell beschäftigen.
Roland Füllemann ist IT-Beschaffungsberater für die öffentliche Hand. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Beschaffung von Saas (Cloud)-Lösungen, Cloud-Plattformen und ERP-Systemen. Unter dem Dach der example consulting bietet er zu Ausschreibungen ergänzend Vorstudien und Architekturplanung (insb. für HR-Software) an. Viel Erfahrung hat er auch mit der Ausschreibung von IT-Sicherheitsthemen, von der Sicherheitsarchitektur über Cybersecurity-Consulting bis zum Penetration-Testing.